Toxische Beziehungen
Natürlich haben toxische Beziehungen auch immer etwas mit toxischen Menschen in unserem Leben zu tun. Für mich war es sehr wichtig, gewisse Mechanismen zu verstehen und warum bestimmte Menschen beispielsweise toxisch agieren. Dieses Verstehen warum gewisse Menschen so toxisch agieren hat mir dann sehr viel geholfen, um am eigentlichen Kern zu arbeiten: Nämlich an mir. Letztendlich konte ich verstehen: Einerseits gibt es da toxische Menschen und meinen toxischen Partner, der eine Beziehung unmöglich macht, der mir unheimlich viel Energie raubt. Und irgendwie scheint es diesen toxischen Menschen an jeglicher Einsicht, Bewusstheit und Empathie für den anderen zu fehlen, sonst würden sie ja gar nicht erst gewisse in rücksichtsloser Weise tun. Empathie ist ausschließlich für ihre eigenen Aspekte vorhanden.
Zum anderen gibt es da jedoch auch mich, der das offensichtlich nicht wahrhaben möchte. Der immer wieder versucht den anderen zu verstehen, der immer wieder Chancen gibt und der seine Grenzen nicht knallhart definiert hat. Und dann gelangt man zu der Einsicht: Der eine ist toxisch und der andere macht das jedoch auch mit. Dies ist letztlich das wichtigste Thema. Was hat dazu geführt, dass ich von Anfang an ggf. zuviel vertraut habe? Dass isch ggf. gar keine Grenzen gesetzt habe oder dass ich es erlaubt habe, dass der “toxische Partner” meine Grenzen überschreiten durfte?
Was eine toxische Beziehung ist und woran ich erkenne, ob ich selbst betroffen bin
Toxische Beziehungen, also solche, in denen der Partner psychische Gewalt und emotionale Misshandlung als instrumentelle Mechanismen nutzt, um seine individuellen Ziele zu erreichen, sind keine Seltenheit. Immer wieder ist zu beobachten, dass ein ganz bestimmter Typ Mensch auf toxische Partnerschaften und den damit verbundenen Selbstzerstörungsprozess anspringt. Überempathen oder hochsensible Personen sind das ideale Opfer giftiger Partner. Doch warum ist das so und wie erkenne ich, ob ich selbst betroffen bin?
Falsche Nächstenliebe
Häufig finden die toxischen Dysfunktionen ihren Ursprung in einem der Beziehungspartner. Er steht sich selbst am nächsten und ist von emotionaler Kälte. Der andere Teil hingegen ist besonders empathisch und voller Mitgefühl. Er befindet sich in einer Coabhängigkeit zu dem toxischen Part.
Durch Empathie können wir die Stimmungslagen unserer Mitmenschen verstehen und taktvoll darauf reagieren. Empathie ist also per se nichts Schlechtes. Sie wird aber zum Problem, wenn sie grenzenlos ist und dazu führt, dass das Mitgefühl für andere stärker ist, als das, für die eigene Person. Coabhängige Partner lieben andere mehr als sich selbst und sind deshalb der ideale Nährboden für eine toxische Beziehung.
Erster Ausdruck eines solchen übersteigerten Mitgefühls ist das Rechtfertigen von schmerzhaften Verhaltensweisen. Obwohl der Partner fremdgeht, keine Zeit für einen hat oder verletzende Äußerungen trifft, wird für ihn Partei ergriffen. Er könne ja schließlich nicht anders, er habe doch selbst eine schwierige Kindheit gehabt. Mit diesen und ähnlichen Ausflüchten werden die Taten des toxischen Partners relativiert. Vor allem dann, wenn er der gleichen Ansicht ist.
In dem coabhängigen Part erwächst der Wunsch, seinen Partner zu retten. Hilfe um jeden Preis, denn dann würde vielleicht alles besser. Doch das wird es nicht. Toxische Partnerschaften enden immer gleich. Je länger die Situation andauert, desto schlimmer wird sie. Der Leidensdruck nimmt zu und wird zur Gewohnheit. Ressourcen, wie der eigene Selbstwert, Geist und Körper aber auch materielle Werte, werden kontinuierlich angegriffen und schwinden zusehends dahin.
Doch warum fällt die Trennung so schwer?
Zum einen spielen die Hormone verrückt. Sobald die Rahmenbedingungen vom ständigen Hin und Her, von Wut und Frieden, von Liebe und Hass gezeichnet sind, streikt die Psyche. Sie weiß nicht mehr, wie sie das Geschehen einordnen soll. Entscheidungen fallen schwer. Die Manipulation ist in vollem Gange.
Häufig finden sich in der toxischen Beziehung aber auch Parallelen zu der eigenen Kindheit. Vielleicht haben die Eltern ein ähnliches Beziehungsmodell gelebt, vielleicht gab es eine Suchtproblematik. Kinder lieben ihre Eltern bedingungslos, ganz gleich, wie sie sich verhalten. Und sie passen sich an, weil sie selbst das Bedürfnis danach haben, geliebt zu werden.
Gerät ein Erwachsener vor diesem Hintergrund in eine toxische Beziehung, wird er alte Verhaltensmuster abrufen. Er wird seinem Partner Fehltritte verzeihen und sich selbst unterordnen, um die Partnerschaft nicht zu gefährden.
Das ist aber genau der falsche Weg. Der coabhängige Partner muss lernen, sich selbst zu lieben. Er muss seinen eigenen Bedürfnissen wieder Bedeutung einräumen und sich selbst an erste Stelle setzen.
Systematische Manipulation
Toxische Partner leben in einer Parallelwelt. Sie stricken sich ein Netz aus Lügen. Dabei bleibt es nicht bei einzelnen Schutzbehauptungen. Es handelt sich vielmehr um ein fantastisches Konstrukt, was jeden Realitätsbezug entbehrt. Tatsachen werden verdreht und Unwahrheiten erzählt, bis am Ende keiner mehr weiß, woran er noch glauben kann. Die coabhängigen Partner werden kontinuierlich manipuliert und verlieren allmählich den Bezug zu ihrer inneren Stimme.
Häufig gibt es für die Lügen keinen triftigen Grund. Manchmal werden sie aber auch gezielt dazu eingesetzt, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Ein toxischer Partner, der in Wirklichkeit gar keine feste Beziehung will, wird rosige Zukunftsbilder zeichnen, damit er im Hier und Jetzt das bekommt, was er braucht. Das können körperliche Begehren oder der Wunsch nach Bestätigung sein.
Die Verdrehung der Tatsachen dient häufig auch dem Betrug. Entweder auf persönlicher Basis, indem zum Beispiel mehrere Partnerschaften parallel verlaufen, oder in materieller Hinsicht.
Bin ich selbst betroffen?
Toxische Muster in der eigenen Beziehung erkennst du daran, dass
– Versprechungen nicht eingehalten werden. Ihr malt euch eine gemeinsame Zukunft aus, die es so aber nie geben wird.
– du nicht weißt, woran du bist. Mal hü, mal hott, mal ja mal nein. Die Beziehung ist instabil und wechselt ihre Richtung in Sekundenschnelle.
– dein soziales Umfeld Bedenken äußert. Sie erkennen die Probleme, dringen aber nicht zu dir durch.
– dein Selbstwert sinkt. Du glaubst, du hättest es nicht anders verdient und suchst die Schuld nur noch bei dir.
– du nicht mehr schlafen kannst. Obwohl Trennung für dich kein Thema ist, leidest du unter Liebeskummer. Du isst zu wenig oder zu viel, bist kraftlos und mit dem Alltag überfordert.
– du seelische Schmerzen empfindest. Du leidest unter deinen eigenen Emotionen und spürst zugleich, was deinen Partner bewegt. Dein Mitgefühl setzt dir körperlich zu.
– deine Bedürfnisse nicht ernst genommen werden. Wenn du jemanden brauchst, ist niemand für dich da.
– deine Wünsche untergehen. Selbst kleinste Bitten werden überhört. Deine Standards sind nicht von Belang.
– du keine Wertschätzung erfährst. Die Taten deines Partners lassen nicht erkennen, dass er dich liebt.
– du dich im Kern verändern sollst. Du wirst zum bloßen Objekt und musst deine Optik/dein Verhalten so anpassen, wie es von dir verlangt wird.
– Bemühungen nicht lange währen. Kompromisse oder Arbeitseinsatz innerhalb der Beziehung ebben nach wenigen Tagen wieder ab.
– du ständig mit deinen Fehlern konfrontiert wirst. Die Kritik ist dein ewiger Begleiter. Du hast das Gefühl, alles falsch zu machen. Selbst banale Dinge stoßen bei deinem Partner auf Missgunst.
– du Angst davor hast, etwas falsch zu machen. Kleinigkeiten enden in einem großen Streit. Du stehst permanent unter Spannung, weil du mit einem erneuten Ausbruch rechnest.
– du nur noch wenig Kontakt zu Freunden und Familie hast. Dein Partner fordert ein, dass du mehr Zeit mit ihm verbringen sollst oder redet deine Bekannten schlecht.
– du belogen wirst. Es beginnt im Kleinen und erstreckt sich schnell auf die gesamte Kommunikation.